Es gibt diese Abende, an denen man in der Küche steht, den Kopf voller To-dos, und sich fragt:
„Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal wirklich Zeit für mich?“
Und dann kommt sofort die innere Gegenstimme:
Jetzt ist nicht der richtige Moment. Erst die Kinder. Erst die Arbeit. Erst der Haushalt.
Kurz gesagt: Erst alle anderen.
Und genau da beginnt das Problem.
Warum Bedürfnisse kein Luxus sind
Bedürfnisse sind keine Schwäche und kein Zeichen von Egoismus.
Sie sind die Grundlage von emotionaler Gesundheit und innerer Stabilität.
Wenn sie ignoriert werden, reagiert der Körper – mit Anspannung, Gereiztheit oder diesem diffusen Gefühl, irgendwie ständig „unter Strom“ zu stehen.
Psychologe Martin E. P. Seligman, Begründer der Positiven Psychologie, beschreibt es treffend:
„Wohlbefinden entsteht, wenn wir aktiv das fördern, was uns stärkt.“
Wer seine Bedürfnisse achtet, sorgt nicht für Bequemlichkeit, sondern für Balance.
Wie viele Männer und Frauen haben gelernt, sich zurückzunehmen
Viele sind groß geworden mit stillen Regeln wie:
„Sei stark.“
„Mach keine Umstände.“
„Deine Wünsche sind nicht wichtig.“
Und so wurde aus Fürsorge für andere oft Selbstvergessenheit.
Aus „Ich helfe gerne“ wurde „Ich darf nichts brauchen.“
Aus „Ich bin zuverlässig“ wurde „Ich darf nie schwach sein.“
Typische Glaubenssätze, die daraus entstehen:
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„Ich bin nur wertvoll, wenn ich leiste.“
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„Ich darf keine Pause machen.“
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„Ich bin egoistisch, wenn ich Nein sage.“
Diese Programme laufen weiter, auch im Elternsein. Und zwar leise, aber wirkungsvoll.
Elternsein zwischen Liebe und Selbstverlust
Eltern geben viel. Und oft mehr, als gut ist.
Es ist leicht, sich selbst dabei aus dem Blick zu verlieren zwischen Job, Alltag, Familienorganisation und dem Wunsch, „alles richtig zu machen“.
Doch Kinder brauchen keine Eltern, die sich aufopfern.
Sie brauchen Erwachsene, die zeigen: Ich habe Bedürfnisse. Ich darf müde sein. Ich darf für mich sorgen.
Das ist kein falsches Vorbild, sondern gelebte emotionale Intelligenz.
Selbstfürsorge ist kein Egoismus
Egoismus sagt: „Nur ich zähle.“
Selbstfürsorge sagt: „Ich zähle auch.“
Es geht nicht um Abgrenzung aus Kälte, sondern um bewusste Balance.
Denn wer ständig nur gibt, verliert irgendwann den Kontakt zu sich selbst und damit auch zu anderen.
Das schlechte Gewissen – loyal, aber fehlgeleitet
Sobald man Zeit für sich nimmt, steht es da: das schlechte Gewissen.
Diese Stimme, die flüstert:
„Du solltest lieber etwas Sinnvolles tun.“
„Deine Familie braucht dich.“
„Entspannung kannst du dir später gönnen.“
Das Schuldgefühl meint es gut und will Zugehörigkeit sichern.
Aber es stammt aus einer Zeit, in der Selbstfürsorge mit Egoismus verwechselt wurde.
Heute darf das anders sein.
Wie fängt man an, wenn man’s nie gelernt hat?
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Selbstbeobachtung statt Selbstkritik
Wahrnehmen, wann Reizbarkeit, Müdigkeit oder Rückzug zunehmen. Das sind Signale, dass Bedürfnisse übergangen werden. -
Kleine Schritte statt heroischer Vorsätze
Zehn Minuten Pause sind besser als gar keine. Es geht um Haltung, nicht um Perfektion. -
Schuldgefühle annehmen, aber nicht gehorchen
Innerlich sagen: Danke, dass du da bist aber diesmal bleibe ich bei mir. -
Offen kommunizieren
Ehrlich mitteilen: „Ich brauche heute Abend Zeit für mich.“
Das ist keine Schwäche, sondern Selbstverantwortung. -
Unterstützung suchen
Gespräche mit Partnerin, Freund oder Coach helfen, alte Muster zu erkennen und neue Wege zu festigen.
Warum das Leben leichter wird, wenn man sich selbst wichtig nimmt
Wer lernt, auf sich zu achten, lebt nicht weniger für andere sondern echter.
Kinder spüren das. Beziehungen werden klarer. Der Alltag fühlt sich leichter an.
Selbstfürsorge bedeutet nicht, sich abzuschotten.
Sie bedeutet, verbunden zu bleiben – auch mit sich selbst.
Denn erst wer innerlich genährt ist, kann wirklich geben.
