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Zwischen „Ich kann nicht mehr“ und der Sehnsucht nach Leichtigkeit

Es gibt diesen Satz, der in vielen Köpfen von Müttern wie ein stiller Schrei auftaucht:
„Ich kann nicht mehr.“

Er entsteht nicht nur aus Erschöpfung, sondern aus einer tiefen inneren Zerrissenheit: dem Wunsch, allem gerecht zu werden – dem Kind, dem Partner, dem Beruf, dem Haushalt, der Gesellschaft, den eigenen Ansprüchen. Und irgendwo dazwischen bleibt die eigene Freude, das innere Gleichgewicht, auf der Strecke.

Viele Frauen haben gelernt, dass alles ordentlich und perfekt sein muss. Der Haushalt sauber, die Wäscheberge verschwunden, das Essen gesund, die Fingernägel gepflegt, der Körper straff. Jeder sichtbare Wäscheberg wird zum Symbol des eigenen vermeintlichen Versagens.

Dann meldet sich der innere Kritiker – streng, unerbittlich, unnachgiebig:

„Du bist nicht gut genug.“

Und während in anderen Familien scheinbar alles mühelos gelingt, wächst der Druck im Inneren weiter.

Das Erbe alter Glaubenssätze

Der Anspruch, als Mutter perfekt zu sein, ist tief in unserer Kultur verwurzelt. Über Jahrzehnte wurde Frauen vermittelt, dass ihr Wert an Ordnung, Sauberkeit und Fürsorglichkeit gemessen wird.

Die Bilder der 1950er bis 1970er Jahre zeigen lächelnde Frauen in makellosen Küchen, glücklich beim Putzen und Kochen. Diese Rollenbilder leben in vielen Köpfen fort, auch wenn sich das äußere Leben längst verändert hat.

Solche Glaubenssätze wirken wie unsichtbare Fäden:

„Erst wenn alles sauber ist, darf ich mich entspannen.“
„Wenn ich mich ausruhe, bin ich faul.“
„Andere schaffen das doch auch – warum nicht ich?“

Doch diese Stimmen kommen nicht aus dem erwachsenen, reflektierten Anteil, sondern aus dem inneren Kind – jenem Anteil, der gelernt hat, dass Liebe und Anerkennung an Leistung gebunden sind.

Das innere Kind und der innere Kritiker

Die Psychotherapeutin Stefanie Stahl beschreibt das innere Kind als den Speicher unserer emotionalen Erfahrungen. Dort sind alte Muster verankert, die noch heute bestimmen, wie auf Stress oder Kritik reagiert wird.

Wenn der innere Kritiker laut wird, erinnert sich das verletzte Kind an frühere Situationen, in denen Aufmerksamkeit nur dann gewährt wurde, wenn alles „richtig“ gemacht wurde.
Die Traumatherapeutin Luise Reddemann betont, dass Heilung erst dann möglich ist, wenn Mitgefühl für die eigenen inneren Anteile entsteht:

„Heilung geschieht, wenn wir uns selbst freundlich begegnen.“

Selbstmitgefühl ist damit das Gegenmittel zum Perfektionismus. Es erlaubt, unvollkommen zu sein – und trotzdem wertvoll.

Wenn Perfektionismus Lebensfreude raubt

Der ständige Versuch, alles richtig zu machen, führt häufig zu innerer Erschöpfung. Perfektionismus kostet Energie, Zeit und Leichtigkeit.
Während gemeinsam mit dem Kind gespielt wird, laufen im Kopf bereits Gedanken an die nächste Aufgabe.
Das Hier und Jetzt geht verloren.

Hinzu kommt die Schuld, nicht genug Zeit mit dem Kind zu verbringen. Statt echter Nähe entsteht das Gefühl, immer im Rückstand zu sein – mit der Wäsche, dem Haushalt, dem Leben.

Dieser innere Druck raubt Lebensfreude und blockiert den Zugang zu Präsenz und Verbundenheit.

Wege aus dem Perfektionszwang: Innere Kind Arbeit

Innere Kind Arbeit hilft, die alten Stimmen wahrzunehmen und ihre Wurzeln zu verstehen.

Der erste Schritt ist das bewusste Hinspüren:

  • Welche Sätze treiben im Inneren an?

  • Welche Angst steckt hinter dem Bedürfnis, perfekt zu sein?

  • Wann entstand das Gefühl, nur durch Leistung geliebt zu werden?

Wenn diese alten Muster erkannt und mit Mitgefühl betrachtet werden, kann sich das erwachsene Ich stärken. Dann darf ein neuer, heilsamer Satz entstehen:

„So bin ich – und das ist gut so.“

Diese Haltung schafft Gelassenheit und Entspannung. Sie führt zurück zu sich selbst und in die eigene Mitte.

Quality Time statt Perfektionismus

Echte Nähe entsteht nicht durch makellose Ordnung, sondern durch gemeinsame Zeit und Aufmerksamkeit.
Quality Time bedeutet, für einen Moment alles andere loszulassen – das Handy, den Abwasch, die Gedanken – und einfach präsent zu sein.

Wenn der Fokus auf Verbindung statt auf Kontrolle liegt, verändert sich auch das innere Erleben. Alte Ansprüche verlieren an Macht, Freude und Leichtigkeit kehren zurück.

Kinder spüren diese Veränderung sofort: Ein entspannter, authentischer Elternteil vermittelt Sicherheit, Wärme und Vertrauen.

Fazit: Freiheit beginnt im Inneren

Der Weg vom Perfektionsanspruch zur Gelassenheit ist ein Prozess der Befreiung.

Sich von überholten Rollenbildern zu lösen, bedeutet, das eigene Leben neu zu gestalten – nach den eigenen Werten und nicht nach alten Erwartungen.

Kinder brauchen keine perfekten Mütter. Sie brauchen Menschen, die echt sind, die lachen, Fehler machen, sich ausruhen und liebevoll da sind.

Wahre Qualität liegt nicht in der makellosen Oberfläche, sondern in der Präsenz, im Mitgefühl und im Mut, sich selbst anzunehmen.